„Wie wollen wir freiwerdende Flächen in Zukunft nutzen?“

Lukas Minnich

Schon lange wird versucht, dass weniger Strecken mit dem Pkw und mehr mit dem Öffentlichen Personennahverkehr, dem Fahrrad oder zu Fuß zurückgelegt werden. Angesichts von Klimawandel und Luftschadstoffen ist es höchste Zeit, dass das nun endlich Realität wird. Es müssen aber nicht immer nur die „klassischen“ Lösungen sein, sondern man sollte auch das Potenzial von neuen Technologien und Trends sehen. Carsharing, E-Mobility, automatisiertes Fahren, um nur die bekanntesten Beispiele zu nennen. Hinzu kommen Ideen wie der Hyperloop, ein Hochgeschwindigkeitstransportsystem, das durch Solarenergie elektrisch getriebene Transportkapseln mit Reisegeschwindigkeiten von bis zu 1200 km/h auf Luftkissen durch eine Röhre befördern soll, wie bei der Rohrpost. Insgesamt ist im Verkehrsbereich momentan viel Dynamik zu spüren. Bei allen rein technologischen Lösungen stellt sich die Wachstumsfrage und wieviel Verkehr überhaupt sinnvoll ist. Aber einen Teil des heutigen Verkehrs werden wir auf alle Fälle haben – und den muss man so organisieren, dass er eine möglichst geringe Belastung für Mensch und Umwelt ist.

Eine wichtige schädliche Umweltwirkung des Verkehrs ist der „Verbrauch“ von Flächen. Ein Thema, das mir aus einem wissenschaftlichen Blickwinkel, aber auch als naturverbundener Mensch, sehr am Herzen liegt. Derzeit sind fünf Prozent der Grundfläche in Deutschland Verkehrsfläche, also Straßen, Schienenwege, Flughäfen, aber auch Parkplätze. Das entspricht in etwa der Fläche von ganz Sachsen. Nehmen wir an, dass die Verlagerung weg vom motorisierten Individualverkehr endlich in Schwung kommt, aber auch dass wir mit neuen Technologien wie dem automatisierten Fahren die bestehende Infrastruktur effizienter nutzen. Angenommen, es setzt sich durch, Autos vor allem zu nutzen und nicht mehr zu besitzen – unter anderem durch Carsharing, verzahnt mit einem guten ÖNPV – und die Fahrzeuge hätten nur die Größe, die wirklich benötigt wird: Die benötigte Fläche würde sich deutlich verkleinern. Besonders gilt dies auch für die notwendige Parkplatzfläche – bisher stehen die meisten PKW 23 Stunden am Tag und nehmen unnötig Platz weg. So hätten wir den tollen „Nebeneffekt“, dass ein guter Teil der Verkehrsflächen frei würde.

Ich wünsche mir, dass diese Entwicklung wahr wird und wir in der Zukunft einmal die Frage beantworten dürfen, wie die ganzen durch die Verkehrswende freigewordenen Flächen sinnvoll und nachhaltig genutzt werden können. Nun kann man nicht einfach eine schmale Reihe Wohnhäuser auf Parkstreifen am Straßenrand bauen, aber es gibt so viel mehr Möglichkeiten: mehr Platz für Fahrradwege oder den ÖPNV, naturnahe Biotope, Grünflächen oder Solaranlagen entlang von zukünftig schmaleren Autobahnen. Zudem würden auch große Parkplätze frei mit Möglichkeiten für mehr Wohnraum oder Freizeitflächen.

In Berlin sehen wir schon großartige Beispiele: Wo vor hundert Jahren ein Bahnknotenpunkt war, ist heute ein der Park am Gleisdreieck mit Platz zum Spazierengehen und Sport, mit Kinderspielplätzen und großen Rasenflächen und vielem mehr. Auf dem Tempelhofer Feld, wo früher Flugzeuge starteten und landeten, ist eine der größten innerstädtischen Freiflächen der Welt mit über 300 Hektar entstanden. Und für die stillgelegte Stammbahn von Zehlendorf zum Gleisdreieck gibt es Pläne für eine Fahrradautobahn. Es wäre doch toll, wenn in Zukunft nicht weiter Bahnstrecken freiwerden, die wir eigentlich für die Verkehrswende brauchen, sondern die Stadtplaner auf ehemaligen Straßen und Pkw-Stellflächen kreativ werden können.

Und schließlich muss irgendwann auch das emissionsfreie Fliegen gelingen. Dann kann sogar der Flugverkehr seinen Beitrag zur Einsparung von Verkehrsflächen am Boden leisten. Wenn man sich Regionen wie das Amazonasgebiet anschaut, wo es Städte gibt, die durch riesige Gebiete mit unberührten Naturlandschaften voneinander getrennt sind, dann könnten Flugverbindungen eines Tages einen geringeren Eingriff in die Umwelt darstellen als Überlandstraßen durch den Regenwald.

Lukas Minnich arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institutsbereich Ressourcen & Mobilität am Standort Berlin.

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