Mit neuen Regeln experimentieren!

Im Test: Shared Zone in Wellington, Neuseeland

Energiewende, Verkehrswende, Agrarwende – all diese Transformationsprozesse brauchen Innovationen: technische Innovationen wie neue Energiespeicher, aber auch soziale Innovationen wie das gemeinschaftliche Teilen statt dem individuellen Besitzen von Fahrzeugen. Manche Innovationen setzen sich von ganz alleine durch. Andere haben es schwerer – etwa wegen ungeeigneter Infrastrukturen oder schwieriger rechtlicher Rahmenbedingungen.

Um technische Innovationen zu entwickeln und testen, sind Modellversuche heute schon üblich. Denken wir aktuell nur an das (teil)automatisierte Fahren. Dafür gab der Bundesverkehrsminister bereits Ende 2015 ein Teilstück der Autobahn A 9 frei – hier können Autohersteller, Zulieferer und Forschungseinrichtungen automatisierte und vernetzte Autos im Realbetrieb erproben.

Seit einigen Jahren und mit ersten Erfolgen drängt die Nachhaltigkeitsforschung darauf, auch den Nutzen von sozialen Innovationen sowie gerade das Zusammenspiel von Technik, Infrastrukturen und Praktiken zu testen – zeitlich und örtlich begrenzt sowie unter wissenschaftlicher Begleitung. Man spricht hier von „Reallaboren“ oder „Realexperimenten“. So wird zum Beispiel getestet, wie Stromkunden ihren Verbrauch zeitlich an das Angebot anpassen können – einschließlich der dafür benötigten Smart Meter, der Datensysteme, der möglichen Stromtarife und der Anpassung des Verbrauchsverhaltens.

Wir wünschen uns, diese Idee auszuweiten auf das Testen von rechtlichen Regelungen – und deren Zusammenspiel mit neuen Technologien und Praktiken. Die Politik könnte mithilfe entsprechender Programme und Experimentier-Erlaubnisse in Bundesgesetzen solche „regulatorischen Reallaboren“ systematisch nutzen, um die Geeignetheit und gesellschaftliche Akzeptanz verschiedener Instrumentenoptionen lokal zu testen und zu vergleichen.

Beispielhaft für diese Idee war ein Projekt des Öko-Instituts in Baden-Württemberg zu „Regulatorischen Innovationszonen“ im Bereich Smart Grids. Gerade bei der Energieinfrastruktur müssen Regeln dynamisch weiterentwickelt werden und es erscheint hier sinnvoll, neue Regulierung zunächst kleinräumig zu entwickeln, bevor sie dann flächendeckend zur Anwendung kommt. Wie kann zum Beispiel das Zusammenspiel zwischen den Stromnetzen und Millionen von Kleinkraftwerken reguliert werden?

Aber auch im Verkehrsbereich bieten sich solche Experimente an: etwa zu flächendeckend Tempo 30 in einer Kommune, ständige Rechtsabbiegererlaubnis für Radfahrende (wie es an vielen Ampeln in Paris schon umgesetzt ist) oder bei örtlichen Beschränkungen des Pkw-Verkehrs. So war auch der mittlerweile dauerhaft autofreie Times Square in New York zunächst als Versuch auf sechs Monate beschränkt.

Ein wesentlicher Vorteil, gerade für politische Akteure: Vieles lässt sich leichter umsetzen, wenn Menschen erst einmal die Vorteile einer Innovation, auch einer politischen, in ihrer Alltagsrealität erlebt haben. Wenn die neuen Regeln erfolgreich sind, können sie dann leichter dauerhaft und bundesweit (bzw. in weiteren Kommunen) eingeführt werden.

Experimente, ja bitte!

Dr. Dierk Bauknecht und Dirk Arne Heyen arbeiten in den Institutsbereichen Energie & Klimaschutz beziehungsweise Umweltrecht & Governance zu verschiedenen Fragen von Transformationsprozessen.

 

Kommentare
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