Die 1980er Jahre: Energiewende und Tschernobyl prägen die Inhalte

Besprechung im Freiburger Büro

Nicht nur auf Gefahren aufmerksam machen, sondern auch Lösungen aufzeigen, lautet von Anfang an ein Grundprinzip des Instituts: mit wissenschaftlich fundierten Studien, die das Deutungsmonopol der etablierten Wissenschaft aufbrechen. Bereits beim Widerstand gegen das Kernkraftwerk Wyhl zeigt sich, dass zur Durchsetzung ökologischer Verbesserungen nicht nur wissenschaftlicher Sachverstand, sondern auch juristisches Wissen benötigt wird.

Auch bei weiteren Gerichtsverfahren, wie bei umweltgefährdenden Nuklear- und Industrieanlagen oder Mülldeponien, kann das Öko-Institut in Zusammenarbeit mit Bürgerinitiativen bei Anhörungs- und Genehmigungsverfahren sowie auch vor Gerichten immer wieder wichtige Erfolge erzielen. Dabei entwickelt das Öko-Institut nicht nur wissenschaftliche Expertise, sondern auch viel Knowhow rund um Genehmigungsverfahren. Deshalb gründet das Öko-Institut die Koordinationsstelle Genehmigungsverfahren (KGV), die diese Kompetenzen bündeln soll. Ziel ist es, Bürgerinnen und Bürger, Umweltgruppen und Kommunen, die sich gegen den Bau umweltschädlicher Anlagen wehren wollen, nicht nur mit wissenschaftlichen Argumenten, sondern auch mit juristischen Hinweisen zur Seite zu stehen.

Die durch Mitgliederspenden finanzierte „Energiewende“-Studie gehört in diesem Jahrzehnt bereits zu den bahnbrechenden Untersuchungen zum Atomausstieg und den Potentialen alternativer Energiekonzepte und erneuerbarer Energien. Die Studie erreicht 1980 ein riesiges Medienecho, prägt den Begriff „Energiewende“ und entfaltet damit bis heute große Wirkungskraft. Sie findet Eingang in den Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Zukünftige Kernenergiepolitik“ der Bundesregierung  – ein wichtiger Schritt auf dem Weg zur wissenschaftlichen Anerkennung des Öko-Instituts und seiner Etablierung als umweltpolitischer Akteur.

Unabhängige wissenschaftliche Informationen liefern die Nuklearexpertinnen und -experten auch nach der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl. Das Öko-Institut bewertet und kritisiert die von den deutschen Behörden ausgegebenen Grenzwerte, wird zur ersten Anlaufstelle für Bürger und Journalisten, ruft zur Gründung von Energiewendekomitees auf und legt zusammen mit dem Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) eine Studie zum Sofortausstieg aus der Atomenergie vor. Durch den Tschernobyl-Unfall steigt die gesellschaftliche und  wissenschaftliche Anerkennung des Instituts gewaltig – ebenso seine Aufträge und Mitgliederzahlen.

Meilensteine der Arbeit des Öko-Instituts in diesem Jahrzehnt

  • Im Sommer 1980 erhält das Öko-Institut seinen ersten großen staatlichen Auftrag: Es soll für das Bundesforschungsministerium das „Restrisiko“ von Leichtwasserreaktoren ermitteln. Die 1983 fertiggestellte „Reaktorsicherheitsstudie“ umfasst 2.500 Seiten in drei Bänden und ist gleichzeitig Startschuss für die Gründung des zweiten Büros des Öko-Instituts in Darmstadt.
  • Chemieverunreinigungen durch Industrie und Landwirtschaft haben in der Bundesrepublik so stark zugenommen, dass selbst das Trinkwasser häufig stark belastet ist. Das zeigt die „Trinkwasserstudie“ des Öko-Instituts, die 1981 harsche Reaktionen provoziert.
  • Die „Muttermilch-Studie“ des Öko-Instituts schlägt hohe Wellen: Kurz nach der Trinkwasserstudie 1981 belegt das Öko-Institut mit der Studie, dass aufgrund hoher Umweltbelastungen sogar Muttermilch stark mit Umweltgiften belastet ist.
  • Im Frühjahr und Sommer 1982 veröffentlicht das Öko-Institut mehrere Publikationen zu Luftreinhaltung, saurem Regen und Kohlepolitik als Diskussionsgrundlagen zum Waldsterben und möglichen Gegenstrategien in Deutschland.
  • Mit dem „Öko-Knigge“ und „Chemie im Haushalt“ schaffen es 1984 zwei populärwissen­schaftliche Umweltratgeber aus dem Umfeld des Öko-Instituts in die SPIEGEL-Bestsellerliste und halten sich dort monatelang. Beide Bücher tragen viel dazu bei, das Öko-Institut und seine Themen in der Öffentlichkeit noch bekannter zu machen.
  • Die 2. Energiewende-Studie: „Für eine neue Energiepolitik der Kommunen.“ Die Themen Re-Kommunalisierung der Energiewirtschaft und „Least-cost Planning“ als Unternehmens­strategie fördern 1985 die energiewirtschaftliche Diskussion in Deutschland.
  • 1986 erstellt das Öko-Institut im Auftrag des Hessischen Ministers für Umwelt und Energie eine Studie über die „Gefahren der Gentechnik“, die in ein Gerichtsurteil zur Insulin-Produktion bei der Hoechst AG einfließt. Das Urteil führt dazu, dass die Bundesregierung 1988 ein Gesetz zur Kontrolle der Gentechnik ausarbeitet.
  • Ab Mitte der 1980er Jahre legen Arbeiten zu Emissionen verschiedener Anlagen in Frankfurt und Darmstadt (Merck, Staudinger, MVA Osthafen und Heizkraftwerk West in Frankfurt/Main) den Grundstein für eine umfassende Beteiligung des Öko-Instituts in öffentlichen Genehmigungsverfahren.
  • Beratung der hessischen Landesregierung zum 1. Hessischen Energiegesetz Mitte der 1980er Jahre. Einer von vielen Meilensteinen in der Politikberatung durch das Öko-Institut bei der Formulierung von Gesetzen und Verordnungen.
  • Publikation des Buchs „Produktlinienanalyse – Bedürfnisse, Produkte und ihre Folgen“, das bereits 1987 – fünf Jahre vor der Deklaration einer Nachhaltigen Entwicklung auf der Rio-Konferenz – die integrierte ökologische, ökonomische und soziale Bewertung von Produkten und der ganzen Produktlinie vorschlägt.
  • Rettung der Grube Messel: 1988 gibt der Verwaltungsgerichtshof Kassel Bürgerinitiativen recht, die verhindern wollen, dass das Ölschieferabbaugebiet mit seinen bedeuteten Fossilfunden in eine Mülldeponie verwandelt wird. Das Darmstädter Büro des Öko-Instituts hat Alternativen zu den Deponieplänen entwickelt und damit zur Erhaltung des uralten Fossillagers beigetragen. Die Deponie in der Grube wurde verhindert; der Fundort einzigartiger Fossilien wurde 1995 in die Liste UNESCO-Weltnaturerbe aufgenommen.
  • Die politische Rolle der Europäischen Gemeinschaft gewinnt zunehmend an Bedeutung. Das Öko-Institut konzentriert sich in einer durch Mitgliederspenden finanzierten Studie 1988 erstmals auf den europäischen Energiemarkt und zeigt Strategien für eine europäische Energiewende auf.
  • „Ozonloch und Treibhauseffekt“: Das Öko-Institut zeigt in einer Publikation von 1989, wie die Erderwärmung und der Abbau des stratosphärischen Ozonschicht durch den Menschen verursacht werden – und wie das verhindert werden kann.
  • GEMIS-Projekt: Das Öko-Institut entwickelt 1989 ein heute weltweit genutztes Energie­bilanzierungs- und Stoffstrommodell (englische Version seit 1990).

Zum Überblick über die 1970er Jahre am Öko-Institut.

Den nächsten Teil der Reihe „40 Jahre Öko-Institut“ – Highlights aus der Institutsgeschichte lesen Sie in Kürze hier im Blog.

Kommentare
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