„Wissenschaftliche Arbeit mit konkreter, praktischer Wirkung“
Was mir an der Arbeit am Öko-Institut gefällt, ist die Schnittstelle zwischen Wissenschaft, Beratung und politischer Gestaltung, an der wir arbeiten. Ich war schon vorher als Verbrauchervertreterin im Bereich Energieeffizienz tätig. Damals hatte ich aber die Pflicht, die Organisationslinie zu vertreten, und weit weniger als heute die Zeit und die Ressourcen, Dinge gründlich zu durchdenken. Am Öko-Institut stellen wir nicht nur Forderungen, sondern erarbeiten auch Begründungen oder Alternativen und setzen uns ernsthaft mit den Argumenten der Gegenseite auseinander. Wir arbeiten zwar nicht im klassischen Sinne akademisch, aber wissenschaftlich, methodisch kontrolliert, systematisch. Wenn ich dann noch sehe oder auch nur schon erahnen kann, dass meine Arbeit in der Praxis etwas bewirkt, wenn sich Wissenschaft und Nutzen verbinden, dann ist es perfekt.
Ein Beispiel für so ein Projekt ist das Marktüberwachungskonzept für den Blauen Engel, welches das Öko-Institut von 2017 bis 2019 zusammen mit dem TÜV Nord entwickelt. Ziel eines solchen Konzeptes ist es, irrtümliche Verstöße gegen die Kriterien des Siegels und auch absichtlichen Betrug aufzudecken und möglichst schon im Vorfeld zu verhindern. Dass ein solches System für die Glaubhaftigkeit eines Umweltzeichens nötig ist, darauf hatten wir bereits vorher in verschiedenen Projekten hingewiesen. Umso schöner ist es, dass das Umweltbundesamt dieses Gedanken aufgegriffen hat und das Öko-Institut auch die Ausschreibung für die Umsetzung gewonnen hat. Der TÜV Nord und wir ergänzen uns hervorragend mit unserem Wissen und unseren Kompetenzen: Während wir sehr gut mit dem Blauen Engel und dessen strategischem Umfeld vertraut sind, kennt sich der TÜV bestens mit Produktprüfungen aus. Beim ersten Fachgespräch mit Vertretern von Ministerien und Behörden, Verbraucher- und Umweltverbänden wusste ich, wir sind auf dem richtigen Weg. Das wird den Blauen Engel weiterbringen, hat einen Nutzen und bewirkt etwas in der Praxis.
Ich selber bin kein Typ für langfristige Visionen und eher skeptisch gegenüber zu starken Festlegungen für die Zukunft. Es kommt ja doch oft anders. Mir kommt es darauf an, dass man auf der Basis von klaren Werten und verlässlichen Forschungsmethoden flexibel, aber richtungssicher auf die Herausforderungen reagieren kann, die sich hier und heute stellen. Zum Glück haben wir hier im Institut auch viele Visionäre. Deren Rolle sehe ich darin, Menschen zu begeistern und attraktive Ziele aufzuzeigen, wie etwa die Energiewende. Ich persönlich fühle mich wohler in der Rolle, mögliche Schritte auf diesem Weg zu entwickeln. Beide Typen zusammen ergänzen sich, das ist eine gute Mischung und genau richtig so.
Wenn ich einen Wunsch habe, dann den, mich hier am Öko-Institut weiterentwickeln zu können, insbesondere neue Themenfelder zu erschließen. Manchmal sind Bereiche nämlich auch schon sozusagen abgegrast. Bei den elektrischen Geräten beispielsweise ist vermutlich nicht mehr viel zu holen, also wenige Effizienzpotentiale zu heben. Dafür gibt es andere, neue Politikfelder zu erschließen. Beispielsweise entwickelt sich gerade das Thema Suffizienzpolitik. Unter Suffizienz verstehen wir Änderungen in Konsummustern, die zu weniger Ressourcenverbrauch führen, wie beispielsweise den Umstieg aufs Fahrrad, den Verzehr von weniger, aber dafür hochwertigen tierischen Produkten, kleinere und flexible Wohnflächen oder auch Entwicklungen wie Minimalismus oder Zero Waste.
Hier gibt es zwar individuelle Vorreiter, aber nur auf Freiwilligkeit und Kulturwandel „von unten“ zu hoffen, fordert zu viel von den Verbraucherinnen und Verbrauchern. Es braucht Veränderungen in der Wirtschaftsweise – Stichwort Postwachstum – und Rahmenbedingungen in der Politik, um suffizientes Alltagshandeln zu ermöglichen und nahezulegen. Das Thema ist in der Politik ein höchst heißes Eisen, weil es darum geht, wie weit individuelle Freiheit reicht und was der Staat darf. Die Emotionen kochen hoch, die Veggietag-Pleite hat sich in das kollektive Gedächtnis eingegraben. Zugleich verstehen vor allem Kommunen die Notwendigkeit und versuchen, hier Handlungsmöglichkeiten zu erschließen. Zarte Ansätze gibt es auch bei UBA und BMUB. Wir wollen politischen Entscheidern Mut machen, ihnen Gründe liefern, dieses Eisen anzufassen und argumentative und strategische „Handschuhe“ bereitstellen, die das vielleicht vereinfachen.
Corinna Fischer arbeitet als Senior Researcher mit dem Schwerpunkt „Nachhaltiger Konsum und Produkte“ am Standort Freiburg.