„Wir müssen uns bewusst sein, welche Verantwortung wir für nachfolgende Generationen tragen“
Ich wünsche mir, dass wir, Menschen der heutigen Zeit, mehr darüber nachdenken, welche Auswirkungen unsere Entscheidungen auch für die folgenden Generationen haben werden.
Als Jugendliche saß ich am Tag von Tschernobyl gerade mit einer Gruppe von Freundinnen und Freunden zusammen.
Mehrere von uns zogen aus der Katastrophe vor allem eine Erkenntnis: dass unsere Marktwirtschaft mit ihrem Streben nach Größe, Macht und Geld die Welt negativ verändert und das ein Trend ist, der kaum noch aufzuhalten ist. Einer sagte sogar, er wolle niemals Kinder haben, das könne man nicht verantworten.
Dieser Ansatz ist aber verkehrt! Ich möchte sogar ganz im Gegenteil sagen: Es ist an uns, die Welt wieder zum Positiven zu verändern! Wir müssen uns bewusst sein, welche Verantwortung wir tragen für die Zukunft, und entsprechend handeln. Mit diesem Blick ist für mich zum Beispiel ganz klar, dass ich die Kernenergie nicht unterstützen kann. Dabei ist die Gefahr eines weiteren Unfalls nur ein Teilgrund.
Als Technikerin weiß ich, wie viel für die Sicherheit in der Kernenergie getan wird – und dennoch kenne ich das Restrisiko, das sich niemals ausschließen lassen wird. Angesichts der Tatsache, dass die Kernkraftwerke in Europa immer älter werden, steigt dieses Restrisiko um einen Faktor, der sich nicht einschätzen lässt. Alle Teile in der Anlage sind für eine bestimmte Betriebsdauer ausgelegt, die nun in vielen Anlagen weltweit aufgrund wirtschaftlicher Gesichtspunkte immer weiter verlängert werden soll. Damit sinken nicht nur Sicherheitsmargen, die Kosten und Belastungen für den Rückbau der Altanlagen werden in die nächsten Generationen verschoben.
Aber mein größter Kontrapunkt ist folgender: Niemand weiß, was mit dem Atommüll passiert. Wie können wir das zukünftigen Generationen zumuten? Unsere Kinder haben diese Entscheidung nicht getroffen, werden aber damit umgehen müssen.
Diese Verantwortung für die Auswirkungen auf zukünftige Generationen betrifft nicht nur die Kernenergie, sondern auch den Klimawandel, die soziale Gerechtigkeit oder die Müllproblematik, um nur einige zu nennen. Wir sollten diesen Planeten so gestalten, wie wir ihn uns für unsere Kinder wünschen würden.
Wir brauchen einen Wertewandel. Wir dürfen uns nicht nur fragen, wie können wir heute gut leben, sondern wie können wir heute und in Zukunft gut leben. Das ist auch ein persönlicher Antrieb für meine Arbeit im Öko-Institut, die mir hilft, meine Verantwortung wahrzunehmen. Denn das macht das Öko-Institut aus, dass wir nicht nur fragen, was technisch oder wirtschaftlich möglich ist. Wir fragen auch, was nachhaltig ist, was sozial gerecht ist, was für die Zukunft hilft. Dieser Nachhaltigkeitsgedanke muss immer neu gestärkt werden, das ist wesentlich. Wie kann es weitergehen? Was sind Lösungen auch für die Zukunft? Die ideale Lösung gibt es nicht, aber wir sollten den Weg so gestalten, dass wir uns keine Vorwürfe machen müssen.
Es ist oft schwer, diesen Fokus beizubehalten. Man gerät immer mal wieder in andere gedankliche Fahrwasser, denn es ist stets einfacher, sich nicht mit allen Details auseinandersetzen zu müssen. Und manchmal meint man auch, man sei ja nur ein kleines Licht, es spiele keine Rolle. Aber es spielt immer eine Rolle, auch im Kleinen. Auch wir als Öko-Institut dürfen das nicht vergessen und müssen uns das gegenseitig immer wieder bewusst machen.
Judith Krohn arbeitet seit 2013 als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Nukleartechnik & Anlagensicherheit am Standort Darmstadt.