„Nachhaltig produzierte Lebensmittel und eine nachhaltig produzierende Landwirtschaft“
Ich wünsche mir, dass Lebensmittel wieder mehr geschätzt werden und die Menschen bereit sind, für qualitativ hochwertige, nachhaltig produzierte Lebensmittel einen angemessenen Preis zu bezahlen. Keiner will einen Zustand wie im Mittelalter, wo nur die Reichen Fleisch essen konnten. Aber wir bräuchten wieder ein vernünftiges Maß. 60 Kilogramm Fleisch pro Kopf im Jahr ist zu viel, da muss ein Umdenken stattfinden. Irgendwann reicht die Erde sonst einfach nicht mehr.
Verbunden mit nachhaltig produzierten Lebensmitteln ist eine nachhaltig produzierende Landwirtschaft, das heißt geschlossene Nährstoffkreisläufe, reduzierte Viehbestände, Platz für ökologische Vorrangflächen, Schutz von Strukturelementen wie Hecken, Reduktion des Einsatzes von gesundheits- und umweltgefährdenden Pestiziden und anderen Wuchshilfsmitteln um nur die wichtigsten Elemente zu nennen.
Diese beiden Themen, nachhaltige Lebensmittel und nachhaltige Landwirtschaft, sind aus meiner Sicht mit die größten gesellschaftlichen Herausforderungen unserer Zeit. Es hängt so viel daran: unsere Gesundheit, Biodiversität und Artenschutz, Klimaschutz. Wenn man pathetisch veranlagt ist, kann man sagen, es hängt die Zukunft der Menschheit daran. Wir müssen jetzt alles dransetzen, um hier auf der Erde die Kehrtwende hinzukriegen, statt darüber nachzudenken, wie wir andere Planeten besiedeln könnten.
Die Frage ist, wie uns eine Transformation hin zu einer nachhaltigen Lebensmittelproduktion und nachhaltigem Lebensmittelkonsum gelingt. Denn eigentlich ist es ein Henne-Ei-Problem: Der Verbraucher wandelt zwischen unzureichendem Wissen beim Einkauf und der schieren Not, billige Produkte kaufen zu müssen, durch die Supermärkte. Der Handel setzt weiter auf Billigpreise mit Verweis auf die Wünsche der Verbraucher. Und die Politik traut sich nicht an das Thema, aus Angst, Wählerstimmen zu verlieren – auf der einen oder der anderen Seite.
Ein Weg ist sicherlich mehr Wissen, mehr Aufklärung der Verbraucherinnen und Verbraucher. Allerdings bin ich persönlich skeptisch, ob das nur über die klassische Bildung und die Schulen funktionieren wird. Da bräuchte es ein Umdenken in den Schulen, weg von einem Leistungs- und Notendenken, hin zu mehr Zeit für eine Wertediskussion. Zeit, Werte zu leben, nicht nur vorzukauen. Diese Art von Bildung hat an den Schulen mittlerweile leider nur wenig Raum. Aber das ist noch mal ein ganz eigenes Thema.
Andererseits kam für mich persönlich der Anstoß, mich mit Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion auseinanderzusetzen, in der Schulzeit: Ein Lehrer zeigte uns den Dokumentarfilm „Septemberweizen“ von Peter Krieg. Ein Film über den weltmarktbestimmenden amerikanischen Weizen und die Auswirkungen, die diese Art von Landwirtschaft ökonomisch und ökologisch hat. Dieser Film hat mich stark beeindruckt und letztlich dafür gesorgt, dass ich heute das mache, was ich mache. Nämlich keine Grundlagenforschung, sondern angewandte Wissenschaft – in der Hoffnung, damit etwas zu bewirken.
Aber selbst wenn Aufklärung und Bildung gelingt, dürfen wir die Verantwortung für die Transformation nicht nur den Verbraucherinnen und Verbrauchern übertragen. Es würde auch viel zu lange dauern, wenn wir nur auf einen Bewusstseinswandel warten. Auch die Politik, die Lebensmittelindustrie und der Handel müssen ihren Teil dazu beitragen und der eigenen Erkenntnis folgend mutig handeln. Mein konkreter Wunsch deshalb an die Politikerinnen und Politiker: Setzen Sie in der nächsten Legislaturperiode effektive Maßnahmen um, um die Nitratbelastung in den Griff zu kriegen. Das wäre ein guter Anfang.
Dr. Jenny Teufel ist Senior Researcher im Bereich Produkte & Stoffströme mit Forschungsschwerpunkt Nachhaltiger Konsum und Produkte.