„Innovation um Exnovation ergänzen“
Der Ausbau von erneuerbaren Energien, die Förderung der Elektromobilität und die Weiterentwicklung von energiesparenden Produkten sind wichtige Schritte, um die Klimaschutzziele zu erreichen. Zunehmend merken wir jedoch, dass es nicht reicht, Innovationen zu entwickeln und zu fördern. Denn das Neue führt häufig nur zu einer Ergänzung des Alten und damit zu fortdauernden Parallelstrukturen. Wir entwickeln aber beispielsweise Windräder und Solaranlagen nicht, weil wir sie so schön finden. Sondern weil wir die fossilen Brennstoffe, v.a. Kohle und Erdöl ersetzen wollen.
Daher brauchen Transformationen wie die Energie- und Verkehrswende auch die zielgerichtete Beendigung der nicht-nachhaltigen alten Technologien sowie der dazugehörigen Politikinstrumente, z.B. der umweltschädlichen Subventionen. Parallel zum Ausbau der erneuerbaren Energien muss der Ausstieg aus der Braun- und Steinkohle gelingen. Wir brauchen nicht nur mehr Elektroautos, es müssen auch die fossil betriebenen Fahrzeuge von den Straßen verschwinden. Wir müssen nicht nur energieeffizientere Produkte entwickeln, sondern auch bestehende Energiefresser außer Betrieb nehmen. Das eine ohne das andere wird nicht reichen.
Ich beschäftige mich am Öko-Institut mit strukturellen Fragen bei solchen Ausstiegsprozessen aus nicht-nachhaltigen Infrastrukturen, Technologien, Produkten und Praktiken. Diese bergen besondere Herausforderungen, unabhängig von der Branche oder dem spezifischen Produkt. Während es oftmals relativ einfach ist, über Innovationen zu sprechen, scheuen sich viele, über die andere Seite – „Exnovationen“ – zu sprechen. Zu groß ist die Angst, den Unternehmen, Arbeitnehmern oder Konsumenten Veränderungen zuzumuten. Dies ist besonders relevant in Fällen, in denen ganze Branchen betroffen sind. Das zeigt sich aktuell am Beispiel des Kohleausstiegs ganz deutlich.
Ich wünsche mir, dass alle Beteiligten die mit solchen Strukturwandelprozessen verbundenen Herausforderungen bewusst annehmen – und zwar frühzeitig. Das ist nicht nur aus einer ökologischen Perspektive sinnvoll, sondern auch im Sinne der Planungs- und Investitionssicherheit von Unternehme(r)n und Beschäftigten. Wenn in 20 Jahren keine Kohle mehr verbrannt werden soll und in 30 Jahren keine Pkw mit Diesel- und Benzinmotoren mehr auf unseren Straßen fahren sollen, dann müssen wir uns heute mit dem Übergang beschäftigen.
Das Thema zu umgehen oder auf übermorgen zu verschieben, ist keine Lösung. Wir müssen gemeinsam mit den betroffenen Akteuren Optionen und Lösungen diskutieren und Veränderungen frühzeitig anstoßen. Dabei geht es nicht nur um das Erreichen ökologischer Ziele, sondern auch um die Vermeidung und Abfederung negativer sozial- und strukturpolitischer Folgen. Dazu gehört, neue wirtschaftliche Perspektiven aufzuzeigen und zu fördern. So schließt sich der Kreis von Innovation und Exnovation.
Dirk Arne Heyen ist Senior Researcher im Institutsbereich Umweltrecht & Governance und arbeitet am Standort Berlin zu Fragen der Transformation und Exnovation.