„Die Energiewende braucht einen breiten gesellschaftlichen Diskurs“
Ich wünsche mir, dass wir uns in den nächsten Monaten gesellschaftlich darüber verständigen, welche Energiewende wir wollen. Denn die Energiewende ist in Deutschland zwar in aller Munde und (fast) alle sagen Ja dazu. Wenn man aber nachfragt, haben die Menschen sehr unterschiedliche Vorstellungen davon. Was bedeutet Energiewende im Detail? Wie setzt man sie um? Zentral oder dezentral? Auf welches CO2-Ziel einigen wir uns? Wie schnell gehen wir dabei vor? Damit die Energiewende gelingt – und wir langfristig zumindest das 2-Grad-Ziel beim Klimaschutz erreichen – müssen wir hierzu rasch Entscheidungen treffen.
In den vergangenen Jahren habe viele Experten über das technisch Mögliche und das ökonomisch Optimale in der Energiewende diskutiert. Man muss aber erkennen, dass daneben auch das gesellschaftlich Vermittelbare entscheidend ist. Wenn die Menschen das Gefühl haben, keine Kontrolle mehr zu haben, werden sie nicht mitziehen. Dann wählen sie Politiker, die die Energiewende umsetzen wollen, einfach ab. Das technisch und ökonomisch beste Konzept hilft daher nichts, wenn es nicht vermittelt werden kann.
Notwendig ist deshalb eine breite gesellschaftliche Verständigung. Denn natürlich gibt es stark widerstreitende Interessen. Selbstverständlich haben Umweltverbände zum Teil andere Interessen und Prioritäten als die Industrie. Das darf man nicht negieren, damit muss man konstruktiv umgehen. Die Energiewende muss letztlich durch einen Aushandlungsprozess ausgestaltet werden: Man muss miteinander reden, dem anderen zuhören, gemeinsam Kompromisse und Lösungswege erarbeiten.
Notwendig ist darüber hinaus ein Diskurs über das, was wir wissen oder zu wissen glauben, denn auch in diesem Themenfeld gibt es Fake-News und irreführende Botschaften. Da heißt es oft, bestimmte organisatorische oder technische Konzepte würden auf einen Schlag alle Probleme lösen. Aber es gibt in der Regel keine einfachen Lösungen. Auch von manchen eher naiven Vorstellungen müsste sich die Gesellschaft verabschieden, damit die Energiewende langfristig gelingen kann. Wer ernsthaft über die Zukunft der Energiewende mitreden will, sollte die eigenen Argumente gut prüfen und sie auf einer soliden Faktenbasis aufbauen.
Anders als vor vier Jahren, steht die Energiewende derzeit nicht vorne auf der politischen Agenda, die Aufbruchsstimmung ist verflogen. Aber das ist normal bei Innovationen und Veränderungen, wenn man in die Phase der Umsetzung und die Tücken der Details einsteigt. Dennoch bin ich optimistisch, dass die Energiewende in Deutschland gelingen wird. Auch wenn es vermutlich länger dauern wird, als ich es mir wünsche.
Christof Timpe leitet seit über 20 Jahren den Bereich Energie & Klimaschutz
an den Standorten Freiburg und Darmstadt.