„Flächenschonender bauen, Dörfer wiederbeleben“

Ländlicher Siedlungsraum

Als ich 1991 zum Öko-Institut kam, war mir die möglichst schnelle Abschaltung der Atomkraftwerke ein dringendes Anliegen. Außerdem habe ich mir gewünscht, dass mehr Nahrung im Bio-Anbau erzeugt wird und der ÖPNV besser und billiger wird.

Derzeit treibt mich vor allem die Frage um, wie wir einen flächenschonenden Hausbau fördern können. Das hat aus meiner Sicht viele Aspekte: Auf dem Land verlieren wir durch die Verbauung mit kleinen Einfamilienhäusern am Rand der Dörfer Boden für den Anbau von Lebensmitteln. Gleichzeitig stehen im Zentrum vieler Siedlungen Wohnungen und Häuser leer, weil die Eigentümer den Vermietungsaufwand scheuen oder für die nötigen Modernisierungen kein Geld haben. Hier könnten staatliche Fördermittel, wie es sie z. B. für die energetische Sanierung  für Gebäude gibt, Anreize schaffen, den Wohnraum wieder verfügbar zu machen.

Denn im Moment werden  die Dorfkerne immer unattraktiver. Die  Läden schließen, da die meisten  sowieso mit dem Auto in die nächste Stadt zum Arbeiten fahren  und dann gleich dort ihren Großeinkauf erledigen. Auch eine Bankfiliale, eine Post, Apotheke oder gar eine Arztpraxis sucht man häufig vergebens. Für Menschen, die nicht mehr so „Auto“-mobil sind, wird es damit immer schwieriger. Denn der öffentliche Nahverkehr ist schlecht ausgebaut und oft schulzeitenabhängig: Während der Ferien fährt der Bus teilweise gar nicht.

Im Moment besteht noch keine Notwendigkeit, diese Räume wieder zu beleben. Denn natürlich gibt es in der Stadt noch Raum, aber die Möglichkeiten in den Stadtzentren sind begrenzt. Man kann den Wohnraum nicht unendlich verdichten.

Deshalb müsste man in den Dörfern eingreifen, bevor alles verödet ist. Wenn es uns gelingen würde, die Dörfer und die Ortskerne wiederzubeleben, vor allem durch eine lokale Mindestversorgung mit Lebensmitteln und medizinischer Versorgung sowie durch eine vernünftige öffentliche Anbindung, würden wir viel Druck aus den Städten nehmen und für alle Altersgruppen bezahlbaren, attraktiven Wohnraum schaffen. Die Verbesserungen würden erstmal den Älteren zugutekommen, die länger in den Dörfern leben könnten. Jüngere Familien würden im Idealfall  nachziehen. Es müssten weniger Wohnungen in den Städten bzw. auf noch unbebauten Flächen geschaffen werden.

Das ist auch gleichzeitig mein Wunschprojekt: Wie können wir gut wohnen bei geringem  Flächenverbrauch? Wie begegnet man in Deutschland dem Konflikt zwischen Hausbau und Nahrungsanbau? Wie wird das Thema weltweit behandelt? Dabei dürfen wir ruhig weiter denken als die nächsten 30 Jahre. Häuser werden nicht so schnell wieder abgerissen, nur um an der Stelle ein größeres, höheres Haus zu bauen. Blicken wir auf die nächsten 100 Jahre.

Dem Öko-Institut wünsche ich, dass es weiterhin Fragen bereits stellt, wenn andere sich die Frage noch nicht stellen. Dass wir dranbleiben, Probleme früher anzusprechen als manch anderer. So wie uns das bei der Energiewende gelungen ist.

Sonja Schlegelmilch-Weis ist Mitarbeiterin im Institutsbereich Finanz- & Rechnungswesen und bereits seit über 25 Jahren am Öko-Institut.
Kommentare
  1. Wulf Böckenhaupt at 14:28

    sorry, aber ich bin hier ganz anderer Meinung. Da wo früher Wald war, haben wir seit ca. Mittelalter gerodet und Siedlungen etabliert. Wenn diese nun nicht mehr lebensfähig sind, warum soll man dann nicht einfach den Wald wieder zurückkehren lassen? Auch der Abriss ist keine wirklich große Sache. Es ist verblüffend, wie schnell das alles wieder verschwunden ist.

  2. Arnd at 14:36

    Nun ja – Wiederbelebung heißt in diesem Kontext ja, dass ein Dorf schon tot ist. Wer soll dann den Abriss bezahlen?
    Sinnvoller ist es sicherlich, vorher den ländlichen Raum – da, wo man Erfolgschanen sieht -attraktiver zu gestalten.
    Vor wenigen Jahren haben die Grünen in Berlin für Lückenbebauung und Aufstockung geworben, um die Bebauung von Ackerflächen zu verhindern.
    Nun wird in jedem Kiez fast jede Lücke bebaut. Da trauert mancher der verlorenen grünen Oase vor der Haustür nach.
    Das Hauptproblem aber ist, dass Normalverbraucher sich die meisten der neuen Wohnungen nicht leisten können.
    Anders gesagt: Würde man nach dem Wohnbedarf und nicht nach dem Renditebedarf bauen, würden möglicherweise weniger Eingriffe in die Natur erfolgen.
    Damit will ich nicht dem „Real existierenden Sozialismus“ das Wort reden. Aber kommunale und genossenschaftliche Wohnungsgesellschaften gibt es in unserem Gesellschaftssystem schon lange. Gewandelt hat sich jedoch im Laufe der Jahrzehnte, wie die Politik mit diesen wichtigen Playern umgegangen ist.

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