Ein Institut für die Menschen: 40 Jahre Öko-Institut

Michael Sailer

Das Öko-Institut wird 2017 40 Jahre alt. Gegründet am 5. November 1977, sollte es zunächst die wissenschaftliche Basis für alternative Ideen und Gedanken rund um Umweltthemen sein. Über die Jahrzehnte hinweg entwickelte sich das Institut vom Wissenschaftsrebell zu einem international anerkannten Forschungs- und Beratungsinstitut, das gleichermaßen kritisch und unabhängig geblieben ist. Wir haben mit Michael Sailer über die Ursprünge und Entwicklungen des Öko-Instituts über 40 Jahre hinweg gesprochen.

Das 40. Jubiläum des Öko-Instituts steht unter der Überschrift „Wir wünschen uns was“ – was haben sich die Gründerinnen und Gründer des Instituts 1977 gewünscht?

Aus meiner Sicht, die damals noch eine Außensicht war, war für die Gründerinnen und Gründer besonders wichtig, dass Wissenschaft für die Bevölkerung da sein soll. Das war in den 1970er Jahren bei den Universitäten und Forschungszentren so noch nicht der Fall. So entstand die Idee, ein wissenschaftliches Institut zu gründen, bei dem Informationen und Forschungsergebnisse öffentlich zur Verfügung stehen. Und damit auch eine Möglichkeit zu schaffen, dass sich Menschen, die ein Umweltproblem vor Ort haben, vertrauensvoll an dieses Institut wenden können. Diese Idee trägt uns seit 40 Jahren – sie steht in der Satzung und ist Teil unseres Selbstverständnisses bis heute.

Anfangs nahmen die Gründungsväter und -mütter an, dass das Öko-Institut wie ein Institut an der Universität organisiert sein solle, nur etwas freier. Doch recht schnell, schon Anfang der 1980er Jahre, haben wir gemerkt, dass das so nicht funktioniert. Unser Kapital ist das Wissen unserer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Dieses Kapital baut sich nur auf, wenn die Mitarbeitenden eine langfristige Perspektive haben. Dies stand im Gegensatz zu universitären Instituten, wo die Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen nach Abschluss von Diplom und Promotion weiterziehen. Dem haben wir in der ersten Hälfte der 1980er Jahre Rechnung getragen, langfristige Arbeitsverträge geschlossen und so die Basis für eine kontinuierliche und wachsende Basis der Mitarbeiterschaft gelegt.

Neben der organisatorischen Aufstellung hat das Institut auch inhaltlich recht schnell Pflöcke in die Wissenschaftslandschaft eingeschlagen – welche waren das?

Für die thematische Entwicklung des Instituts war all das wichtig, was seit Mitte der 1970er Jahre die Menschen in Umweltfragen bewegt hat. Zum einen die chemische Umweltverschmutzung, die sich unter anderem an den verschmutzten Flüssen gezeigt hat. Zum anderen, und das war ja einer der Gründungsanlässe, die Risiken der Atomkraftwerke, die das Öko-Institut wissenschaftlich belegt und vor allem transparent gemacht hat. Dafür haben wir aus der etablierten Wissenschaft ebenso heftige Kritik geerntet wie von der Bevölkerung Anerkennung. Nachdem wir auf die Gefahren aufmerksam gemacht hatten, war aber unsere Idee auch damals schon sehr schnell, Lösungen aufzuzeigen. So haben wir schon 1980 die erste Energiewende-Studie verfasst, die die Möglichkeiten einen Stromerzeugung ohne Erdöl und Atom berechnet hat. Der damals von uns geprägte Begriff hat dann ja auch der gesamten Bewegung bis heute ihren Namen gegeben.

Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre spielten auch die Grenzen des Wachstums eine Rolle für die thematische Ausrichtung des Öko-Instituts – jene Denkrichtung, die den heutigen Nachhaltigkeitsdiskurs – ob beim Thema Klimaschutz oder für den nachhaltigen Ressourceneinsatz – entscheidend geprägt hat. Im Verlauf der Jahre haben wir immer versucht, diese und viele weitere Themen naturwissenschaftlich zu durchdringen, aber auch die gesellschaftlichen Entwicklungen – beispielsweise die Umsetzung in Verwaltung und Gesetze – und auch die Auswirkungen auf die Wirtschaft zu beschreiben. Zugleich haben wir versucht, zu verstehen, wie Verhalten von Verbrauchern gesellschaftliche Veränderungsprozesse prägt. Dabei haben wir beispielsweise gesehen, dass das Verzicht-Predigen nicht ausreicht, um Änderungen im Konsumverhalten zu erreichen. Was wir hier vielmehr brauchen, sind positive Botschaften und auch ein Erleben, dass Selbstverwirklichung und Bestätigung nicht mit mehr Konsum und umweltschädlichen Lebensweisen verbunden sein müssen.

Was zeichnete das Öko-Institut für diese Arbeit aus?

Sehr schnell haben wir erkannt, dass die Arbeit zu Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen ein multidisziplinäres Projekt ist. Deshalb haben wir von Anfang an die Sachverhalte von mehreren Blickwinkeln her untersucht – so wie es später als Interdisziplinarität beschrieben und auch andernorts praktiziert wurde. Weil wir es uns zur Aufgabe gemacht hatten, den Bürgerinnen und Bürgern mit Rat und Tat und vor allem mit wissenschaftlichem Sachverstand zur Seite zu stehen, haben wir darüber hinaus von Beginn an so gearbeitet, was heute als transdisziplinäre Wissenschaft bezeichnet wird. Also wissenschaftliche Ergebnisse in Interaktion mit den Beteiligten – auf neudeutsch Stakeholder – zu erarbeiten. Diese Arbeitsweise war in einer Vielzahl von Projekten bereits in den späten 1970er Jahren so angelegt – sodass wir heute auch ein 40. Jubiläum an inter- und transdisziplinärem Arbeiten feiern.

Was sind aus Deiner Sicht die großen Herausforderungen von heute und morgen?

In vielen Staaten der Welt, vor allen in Schwellen- und Entwicklungsländern, streben die Menschen einen ähnlichen Lebensstandard wie in Europa oder Nordamerika an. Verfolgen sie jedoch die Entwicklung so, wie wir das in den vergangenen Jahrzehnten (falsch) gemacht haben, führt dies zu einem sehr großen Ressourcenverbrauch und einem hohen Schadgasausstoß. Eine weitere Herausforderung ist aus meiner Sicht, dass sich die weltweiten Verhältnisse gerade zum Teil dramatisch ändern. Viele ältere, aber auch die jungen Menschen bei uns haben Krieg, Gewalt oder Flucht glücklicherweise nicht erlebt. Mit der nationalistischen Destabilisierung der Weltordnung, wie wir sie jetzt vielerorts beobachten, ist unklar, wie schnell sich Bündnisse ändern und Dinge passieren, die vielleicht keiner gewollt hat.

Für uns als Öko-Institut bedeutet das, dass wir in einer Zeit arbeiten, in der sich die weltweiten Situationen aber auch die Situation in Deutschland und den Nachbarstaaten schneller ändern können, als wir das bisher gewohnt waren. Wir fühlen uns aber trotzdem aufgefordert, möglichst viel zum Schutz der Umwelt umzusetzen und insgesamt zum Erreichen der Nachhaltigkeitsziele beizutragen. Und  aus unserer Sicht hat ein verantwortungsvolles Umgehen mit Ressourcen auch etwas mit Friedensarbeit zu tun.

Welche Rolle kann das Öko-Institut dabei einnehmen – was wünschst Du Dir für die Zukunft von uns selbst?

Zunächst sollten wir weiter bei unseren profunden naturwissenschaftlich-technischen Kenntnissen bleiben und diese weiter ausbauen. Zugleich wird die transdisziplinäre Arbeitsweise für uns weiter wichtig bleiben. Beides zusammen wird für uns die Basis sein, um Empfehlungen für eine nachhaltige Gesellschafts- und Wirtschaftsweise zu erarbeiten.

Michael Sailer ist seit 2009 Sprecher der Geschäftsführung am Öko-Institut.
Zuvor leitete der Experte für Nukleartechnik und Anlagensicherheit den entsprechenden Fachbereich des Instituts und war und ist darüber hinaus Mitglied und Leiter verschiedener Kommissionen der Bundesregierung zur Reaktorsicherheit und zur Endlagerfrage.

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