„Das Ende der Wiederaufarbeitung“

Christian Küppers

1986, als ich im Öko-Institut anfing, war das nicht nur das Jahr der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl, sondern auch der Höhepunkt der Proteste gegen die Wiederaufarbeitungsanlage Wackersdorf. Auch das Öko-Institut machte sich damals stark gegen die Wiederaufarbeitung, auch im Ausland.

Wiederaufarbeitung von abgebrannten Brennelementen dient vor allem dazu, Plutonium zurückzugewinnen. Das war am Anfang der Kerntechnik für Bombenmaterial wichtig. Aber der Nachteil ist, neben der militärischen Komponente, dass die Wiederaufarbeitungsanlagen diejenigen kerntechnischen Anlagen mit den größten Emissionen radioaktiver Stoffe sind.

Die beiden europäischen Anlagen sind für fast sämtliche Einleitungen radioaktiver Stoffe ins Meer durch die Kerntechnik verantwortlich. Zudem fallen zusätzliche radioaktive Abfälle durch die Wiederaufarbeitung an, während die endzulagernde Menge an Radioaktivität nur ganz unwesentlich verringert wird. Und das rückgewonnene Uran wird nur teilweise erneut verwendet, da es gegenüber Natururan sehr viel ungünstigere Eigenschaften hat.

Dennoch sollte auch Deutschland in die Wiederaufarbeitung und die Plutoniumwirtschaft einsteigen. Das war Wunsch der Politik. 1985 fiel die Entscheidung für Wackersdorf als Standort einer großen deutschen Wiederaufarbeitungsanlage und es wurde mit dem Bau begonnen. Die Folge waren massive Auseinandersetzungen – bis 1989 der Plan aufgegeben wurde. Von den deutschen Kernkraftwerksbetreibern wurden Verträge mit den französischen und britischen Wiederaufarbeitungsanlagen, La Hague und Sellafield, geschlossen.

Damit war mein erster Wunsch, die Aufgabe des Baus einer Wiederaufarbeitungsanlage in Deutschland, in Erfüllung gegangen. Der nächste große Erfolg kam zeitgleich mit dem Atomausstieg unter der Rot-Grünen Bundesregierung. Das Atomgesetz wurde so geändert, dass die Wiederaufarbeitung für deutsche Kernkraftwerke verboten wurde. Nur noch bis zu einem Stichtag Mitte 2005 durften Brennelemente nach Sellafield oder La Hague gebracht werden. Und selbst dies davon wurde von den Betreibern teils nicht mehr vollständig ausgenutzt.

Das alles war vor 30 Jahren, als ich am Öko-Institut angefangen habe, nicht absehbar. Ich bin mir sicher, dass unsere Arbeit, unsere Studien, Stellungnahmen und Veröffentlichungen, ihren Anteil daran hatten.

Heute ist die Situation in Europa so: Die europäischen Wiederaufarbeitungsanlagen sind bei weitem nicht ausgelastet. Auch hier ist das Ende aus meiner Sicht aus ökonomischen Gründen gekommen. Denn letztlich macht die Abtrennung von Plutonium aus den abgebrannten Brennelementen für die Stromproduktion nur dann Sinn, wenn man auch Schnelle Brüter betreibt, was auch Frankreich eigentlich bereits aufgegeben hat.

Aber auch wenn die Wiederaufbereitung, und in absehbarer Zeit auch der Betrieb von deutschen Kernkraftwerken, uns hierzulande kaum noch beschäftigen muss, bleiben Wünsche für die Zukunft: dass Deutschland im Ausland als Vorbild wirkt, weitere Industrienationen aus der Kernenergie aussteigen und die grenznahen Anlagen vom Netz gehen. Und die Endlagerfrage muss gelöst werden. Diese Themen bleiben aktuell.

Christian Küppers ist stellvertretender Leiter des Bereichs Nukleartechnik und Anlagensicherheit in Darmstadt.

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