„Abbaubare Kunststoffe könnten ein Teil der Lösung sein“
Der Plastikmüll in den Meeren ist ein riesiges Problem, mit dem ich mich schon vor meiner Zeit am Öko-Institut befasst habe. Als wissenschaftlicher Mitarbeiter an der ETH Zürich habe ich mich unter anderem mit der BASF auseinandergesetzt, die damals eine abbaubare Plastiktüte entwickelt hatte. Das Thema hatte ich seitdem immer im Hinterkopf, auch wenn es am Öko-Institut für mich erst einmal andere Projekte gab. Aber auch hier traf ich auf Kolleginnen und Kollegen, die sich schon mit dem Problem des Marine Littering auseinander gesetzt hatten.
Die Ursachen, warum Kunststoffe ins Meer ausgetragen werden, sind vielfältig. Es handelt sich nicht nur um Teile, die vom Land über die Flüsse ins Meer getragen oder die am Strand weggeworfen werden. Ein großes Problem ist auch, dass Schiffe Gebühren zahlen müssen, wenn sie Abfälle im Hafen abgeben wollen, was dazu führt, dass viele Schiffe aus Kostengründen ihre Abfälle lieber auf hoher See entsorgen. Auch Fischer entsorgen so oft ihre gebrauchten Netze, obwohl diese eigentlich aus einem wertvollen, recycelfähigen Material bestehen. Ein wichtiger Schritt wäre hier, die Entsorgung von Abfällen bzw. Netzen in die obligatorischen Hafengebühren mitaufzunehmen.
Es gibt aber nicht die eine große Lösung. Es müssen viele Ansätze parallel verfolgt werden. Mein Wunsch ist, dass wir dieses globale Problem gelöst bekommen. Ein Teil der Lösung könnten abbaubare Kunststoffe sein. Die technische Herausforderung liegt darin, dass die Kunststoffe in der Natur vollständig abbaubar sein müssen – egal ob in der Wüste oder im Polarmeer. Bisher funktioniert das höchstens in Kompostieranlagen.
Der Vorteil von abbaubaren Kunststoffen wäre, dass diese gerade in Entwicklungs- und Schwellenländern möglicherweise schneller wirken würden als andere Lösungen. Der Aufbau eines umfassenden Recycling-Kreislaufes wie hier in Deutschland würde wahrscheinlich viel länger dauern und zudem finanzielle Ressourcen erfordern, die in den Ländern unter Umständen gar nicht vorhanden sind. Auch der Ansatz, den Gebrauch von Plastik zu reduzieren oder ganz zu vermeiden, setzt viel Überzeugungsarbeit bei den einzelnen Regierungen und einen umfassenden Bewusstseinswandel bei den Verbrauchern voraus.
Was in den Medien häufig diskutiert wird, ist die Idee, das Plastik mit großen Anlagen wieder aus dem Meer herauszufischen. Technisch könnte das durchaus gelingen, wird aber leider sicherlich nur einen kleinen Teil des Problems lösen können, weil es bei kleinen Plastikteilen und Mikroplastik nicht funktioniert. Dazu kommen die hohen Kosten. Der Vorteil der medialen Aufmerksamkeit für diese Projekte ist aber, dass damit ein größeres Bewusstsein für das Problem in der Öffentlichkeit entsteht, was auch anderen Ansätzen hilft.
Bisher gab es im Öko-Institut zu diesem Thema nur kleinere Projekte, unter anderem 2013 einen Workshop mit Experten aus verschiedenen europäischen Ländern. Aber wir wollen das Thema wieder vorantreiben und sind im Gespräch mit Forschungsinstituten und anderen Akteuren. Wir sehen unsere Aufgabe darin, die verschiedenen Stakeholder – vor allem Umweltverbände, Industrie und staatliche Stellen – zusammenzubringen und Diskussionsprozesse zu moderieren. Wir wollen Szenarien entwickeln, wie Wirtschafts- und Recyclingkreisläufe angepasst werden können, um den Kunststoffaustrag zu verhindern.
Am liebsten wäre es mir allerdings, wenn wir gar keine Projekte mehr dazu machen müssten – weil das Problem gelöst wurde. Egal ob von uns oder anderen.
Jürgen Sutter ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Institutsbereich Ressourcen & Mobilität am Standort Darmstadt. Sein Forschungsschwerpunkt liegt auf Ökobilanzen und Ressourceneffizienz.