„Nachfrage nach Biomasse reduzieren“
Seit jeher nutzen wir Biomasse in vielen Bereichen. Anbaubiomasse aus der Landwirtschaft stellt vor allem unsere Nahrungs- und Futtermittel, wird aber auch als Chemierohstoff und Energieträger verwendet. Holz nutzen wir als Baustoff, für Papier oder ebenfalls als Energieträger, und biogene Abfallstoffe werden beispielsweise recycelt, zu Biogas vergoren oder als Kompost aufbereitet. Biomasse ist ein Alleskönner, aber die verfügbaren Rohstoffe bzw. ihre Produktion sind begrenzt. So sind die Anbauflächen endlich und Rest- und Abfallstoffströme werden bereits deutlich genutzt. Die Folge ist ein Spannungsfeld von großer Nachfrage, begrenzten Anbauflächen, Ernährungssicherung, der Wahrung von Landnutzungsrechten, dem Klimaschutz, der Bewahrung der Biodiversität und dem Schutz von Böden und Wasser. In meinen Projekten sehe ich immer wieder: Der Knackpunkt ist ein zu hoher Bedarf an biogenen Rohstoffen. Diesen zu reduzieren, ist nicht nur mein Wunsch, sondern eine Notwendigkeit.
Sehen wir uns beispielsweise die Forstwirtschaft an: Um den Naturschutzzielen gerecht zu werden, müsste man den Einschlag um etwa ein Drittel zu reduzieren, so dass mehr Totholz und Altbäume, vor allem der Laubbaumarten, im Wald verbleiben. Der erzielte Vorratsaufbau an Holz verbessert die Lebensgrundlage gefährdeter Arten im Wald. Gleichzeitig wird CO2 aus der Atmosphäre gespeichert. Andererseits kann eingeschlagenes Holz energie- und damit treibhausgasintensive Produkte ersetzen oder als langlebige Produkte CO2 speichern. Aber: Klimaschutz kann auch mit anderen Technologien erreicht werden, Naturschutz im Wald aber nicht. Daher sollten meiner Meinung nach die Weichen hin zu mehr Naturschutz im Wald gestellt werden. Aktuell wird etwa die Hälfte des Holzeinschlags direkt energetisch genutzt, also verfeuert, vor allem Laubholzarten wie Buche oder Eiche, die für den Naturschutz bedeutender sind als Nadelbäume. Die Förderung von Holz aus dem Wald für Bioenergie ist aber mindestens fragwürdig, da auch andere erneuerbare Energien verfügbar sind.
Andere Herausforderungen sieht man in der Landwirtschaft: Hier bedeutet eine Ökologisierung einen höheren Flächenbedarf für die Bereitstellung der gleichen Menge an Biomasse – weil weniger gedüngt oder gespritzt wird und somit der Ertrag sinkt. Für den gleichen Output braucht man also mehr Fläche. Auf etwa der Hälfte der Ackerfläche in Deutschland werden heute Futtermittel produziert, um unseren Konsum an Tierprodukten (Fleisch- und Milchprodukte) zu decken. Gleichzeitig empfiehlt die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, dass für eine gesunde Ernährung der durchschnittliche Konsum von Tierprodukten etwa 50 Prozent niedriger liegen sollte als der heutige. Die logische Konsequenz einer Ökologisierung der Landwirtschaft ist es daher, den Konsum an Tierprodukten zu senken und durch den verringerten Futtermittelanbau die nötige Fläche freizusetzen. Gleichzeitig leben wir gesünder.
Eine besondere Herausforderungen für die landwirtschaftliche Nutzung sind Moorstandorte, d.h. Böden mit hohem Bodenkohlenstoffgehalt. Durch die Nutzung wird auf diesen Flächen sehr viel CO2 frei, so dass die Bewirtschaftung aus Klimaschutzsicht Irrsinn ist. Diese sollten wiedervernässt und aus der Nutzung genommen werden, beispielsweise im Tausch gegen Flächen von Höfen, auf denen die Nachfolge fehlt. Auch wenn dies den Flächendruck erhöht. Das Problem ist in der Politik bekannt, aber erste Ansätze wurden zwischenzeitlich zurückgenommen. Dieses Thema wünsche ich mir zurück auf die Agenda – und dass es dort bleibt.
All diesen Feldern ist gemeinsam, dass wir am Ende unseren Konsum verändern und reduzieren müssen: Nur mehr Effizienz wird nicht ausreichen, wir brauchen auch mehr Suffizienz. Das bedeutet für jeden auch ein bisschen Verzicht.
Wie wir das schaffen, ist eine gute Frage. Nur mit freiwilligen Verpflichtungen wird es meiner Meinung nach nicht gelingen. Ordnungsrechtliche Maßnahmen sollten meiner Meinung nach engere Grenzen ziehen. Es braucht zudem Anreize über den Preis sowie Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung, die beispielsweise auch die gesundheitlichen Vorteile für den Einzelnen in den Fokus rücken kann.
Eine besondere Herausforderung stellt diese Transformation an die land- und forstwirtschaftlichen Betriebe, die weiterhin einen ausreichenden Lebensunterhalt erwirtschaften müssen. Aber viele Land- und Forstwirte sind bereit, ihre Produktion umzustellen, wenn sie sicher sind, dass es sich rechnet. Das zeigt beispielsweise der Erfolg der Initiative Tierwohl des Handels. Dieser bietet an, höhere Preise für Fleisch zu bezahlen, wenn im Gegenzug die Dichte in den Ställen reduziert, mehr Fenster eingebaut und mehr Auslauf ermöglicht wird. Auch wenn die Anforderungen aus Sicht des Tierschutzes eher gering sind, zeigt das große Interesse der Landwirte, dass Veränderungen möglich sind, wenn das Einkommen stimmt.
Trotzdem sind Veränderungsprozesse immer langwierig und die Ängste mit Blick auf die aktuellen Marktpreise und die Ankopplung auf den Weltmarkt groß. Hier ist die Politik gefragt, national, regional und lokal Konzepte zu entwickeln, wie die ökologischen Ziele erreicht werden können, ohne ökonomische Verwerfungen zu erzeugen – und der Verbraucher wird für Produkte wie Fleisch realistischere Preise bezahlen müssen. Das verlangt auf Bundes- und Länderebene sowie in der Bevölkerung den Willen zur Veränderung. Aber solange die Zielrichtung nicht klar ist, wird nicht genug passieren. Wir alle müssen bereit sein, die im Wandel enthalten Chancen zu sehen und unseren Teil als Konsument beizutragen.
Dr. Klaus Hennenberg ist am Standort Darmstadt Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz. Schwerpunkte des diplomierten Biologen sind unter anderem Nachhaltigkeitsanforderungen von Biomasse und Landnutzungsmodellierung.