„Mutige Naturschutzstrategien für den Wald“
Was mich am Wald besonders fasziniert ist die Tatsache, dass man wegen seines langsamen Wachstums sehr langfristig denken und planen muss. Man kann nicht kurzfristig einen neuen Wald erschaffen, der 150 Jahre alt ist. Der muss wachsen. Für Visionen im Wald braucht man eine ganz besondere Weitsicht.
Heute ist der Wald in vielen Teilen ausgerichtet auf seine Rolle als Wirtschaftsfaktor, als Holzproduzent. Und die Sägewerke brauchen möglichst gerades Holz, am besten Nadelholz wie Fichten oder Kiefern, das von der Bau- und Möbelindustrie am meisten nachgefragt wird und in Plantagen einfach bewirtschaftet werden kann. Derartige Monokulturen aber können leider relativ wenig zum Naturschutz beitragen. Und als lebendiger Kohlenstoffspeicher sind sie auch nicht geeignet.
Die Waldvision, die wir als Öko-Institut in verschiedenen Studien und Projekten entworfen haben, ist daher eine ganz andere: Wir brauchen einen Wald, der klimawirksam ist, der möglichst viel CO2 speichern kann. Zugleich muss er ein optimales Habitat für eine Vielzahl von Tieren und Pflanzen bieten. Er muss Wasser filtern. Und natürlich weiterhin Holz liefern.
Diese Wälder, wie wir sie uns vorstellen, haben einen höheren Anteil von Laubholz, sind naturnäher und dürfen länger wachsen. Diese Wälder überlässt man mehr als heute sich selbst, den natürlichen Prozessen. Die Bäume werden älter, der Bestand wird weniger ausdünnt. Das bedeutet mehr Holz im Wald, weil die Bäume dicker werden. Das hat eine große Wirkung aufs Klima, weil mehr Kohlenstoff im Wald gebunden wird. Gleichzeit bedeutet es weniger Aufwand und dadurch geringere Kosten.
Mit Hilfe von Computermodellen beschreiben wir, wie der Wald sich entwickeln wird – in dem einen oder einem anderen Szenario. Auf diese Weise können wir experimentieren und uns die Auswirkungen ansehen, ohne lange warten zu müssen. Die Modelle sagen uns, wenn wir in 40 Jahren solche Wälder haben wollen, müssen wir sie bereits heute anders behandeln. Dafür braucht es auch eine Umstellung im Industriesektor der Forstwirtschaft, also bei den Sägewerken, damit sie das Laubholz verarbeiten können. Und dafür braucht es ein Umdenken auch am Bau und bei den Statikern, damit das Holz auch verwendet und verbaut wird. Sonst werden wir die Monokulturen nur exportieren und Nadelholz importieren.
Aber da bin ich optimistisch, denn technischer Wandel kann schnell gehen, das haben wir immer wieder gesehen. Die Frage ist, überlässt man das dem Zufall, setzt man Anreize oder reguliert man? Wenn wir heute bestimmte waldbauliche Konzepte umsetzen, dann wissen wir, welchen Wald wir in 40 Jahren haben. So langfristige Planungssicherheit hat kein anderer Sektor.
Wir erstellen Studien und geben Empfehlungen, aber die Umsetzung müssen andere machen. Der Staat besitzt die Hälfte des Waldes in Deutschland und könnte mit gutem Beispiel vorangehen. Er könnte auch der Industrie die entsprechenden Anreize bieten, sich anzupassen.
Mein konkreter Wunsch für die nähere Zukunft: die Umsetzung der bereits bestehenden Zielvorgaben in Deutschland. Ich denke da insbesondere an das Ziel, fünf Prozent der Wälder unter Schutz zu stellen. Das haben wir noch nicht umgesetzt – während wir aber umgekehrt von Brasilien verlangen, 80 Prozent seiner Wälder unter Schutz zu stellen. Eine mutige Naturschutzstrategie im Staatswald umzusetzen, das wäre ein wichtiger Schritt, damit uns die Waldwende gelingt.
Dr. Hannes Böttcher ist Senior Researcher im Bereich Energie & Klimaschutz. Als promovierter Forstwissenschaftler ist einer seiner Schwerpunkte die Auswirkung der Land- und Forstwirtschaft auf das Klima.