„Wir brauchen mehr Nachhaltigkeit im Innovationsprozess neuer Technologien – und vielleicht ganz neue Ansätze“
In meinem ersten Projekt am Öko-Institut, einem Forschungsprojekt für das BMBF, haben wir ein neues Material für Leiterplatten entwickelt. Dafür haben wir entlang der Wertschöpfungskette Partner gesucht und gefunden, mit denen wir zusammengearbeitet haben. Wie wertvoll es ist, sich frühzeitig mit den Entwicklern zum Thema Nachhaltigkeit auszutauschen, war meine wichtigste Erkenntnis aus diesem Projekt. Denn es gibt immer wieder spannende Entwicklungen, wo man gerade von Umweltseite aus frühzeitig im Innovationsprozess sich einbringen sollte, um die richtigen Fragen zu stellen und konstruktive Hinweise zu geben.
Diese Erfahrung haben wir auch eingebracht in die damals noch recht neue Diskussion um Nanotechnologie und Nanomaterialien. Grundsätzlich faszinieren mich neue Technologien. Aber um beurteilen zu können, ob sie nachhaltig sind, muss man wissen, welche Chancen sie für die Umweltseite bieten und welche Risiken sie bergen. Das wussten aber im Bereich Nanotechnologie nicht einmal die Entwickler so genau. Wir haben deshalb ein Tool zur Selbstevaluierung entwickelt, mit dessen Hilfe sich Entwickler und Forscher frühzeitig auch mit den Nachhaltigkeitsaspekten ihrer Entwicklungen auseinandersetzen können. Ein enormer Nutzen, auch aus gesellschaftlicher Sicht.
Diese Governance-Ansätze und die kritische Selbstreflexion in der Entwicklung sind gut und richtig. Aber es braucht begleitend auch Regulierung, bei der Nanotechnologie auf EU-Ebene. Das dies der EU-Kommission trotz zahlreicher Studien und Diskurse zum Thema noch nicht gelungen ist, bereitet mir Sorge. Die pro-aktive Umweltpolitik, die es in den vergangenen zehn bis zwanzig Jahren auf der EU-Seite gab, hat meiner Meinung nach an Bedeutung verloren. Das sieht man beispielsweise an der Prioritätenliste der EU-Kommission, in der im Vergleich zu früher Umweltpolitik eine viel kleinere Rolle spielt. Es gibt weniger gute Vorstöße als früher. Das gilt auch für den Bereich der Nanomaterialien, die unter die Europäische Chemikalienverordnung REACH fallen. Eine nano-spezifische Anpassung von REACH wurde bereits vor vielen Jahren versprochen, ist aber bislang immer noch nicht umgesetzt. Das ist nicht sehr ermutigend und birgt erhebliche Risiken.
Ich wünsche mir, dass unsere Projekte konkret etwas bewirken. Unsere Ergebnisse sollten nicht nur am Rande zur Kenntnis genommen werden, sondern erreichen, dass die Politik und Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit im Zusammenhang mit neueren Technologien allgemein noch ernster nehmen und diesem eine höhere Priorität einräumen. Neben so wichtigen Themen wie den Flüchtlingsströmen dürfen diese Fragen nicht ganz hinten runterfallen, zumal ganz klar Zusammenhänge zwischen diesen Themen bestehen. Aktuell stelle ich mir deshalb die Frage, welche Wege es gibt, wenn die EU es nicht schafft, ihrer Verantwortung gerecht zu werden. Vielleicht müssen wir auch ganze neue Fragen stellen und an anderen Punkten ansetzen. Das ist ein Wunsch an mich selbst – und dafür nehme ich 2017 ein Sabbatical. Um zu entschleunigen und neue Ideen zu entwickeln.
Martin Möller ist stellvertretender Leiter des Institutsbereichs Produkte & Stoffströme in Freiburg. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der Nachhaltigkeitsbewertung von Technologien, Prozessen und Produkten.