„Einfach mal etwas wagen“
Ich habe am Öko-Institut 2007 angefangen, als das Projekt Renewbility gerade startete. Wir untersuchten Klimaschutzstrategien für den Verkehrssektor und entwickelte entsprechende Szenarien. Es war spannend, nicht nur für mich als den Neuen, sondern auch, weil es das erste Projekt war, in dem das Öko-Institut einen intensiven Dialog mit der Automobilindustrie suchte. An die damals deutlich wahrnehmbare Anspannung – auf beiden Seiten – erinnere ich mich noch gut.
Die Automobilindustrie stellte sich damals auf den Standpunkt, dass Veränderungen in Richtung Effizienz und neuer Antriebe sehr teuer seien. Das, was Toyota mit dem Hybrid mache, sei Unsinn, man habe den Diesel und der hätte noch eine große Zukunft vor sich, da brauche man nichts anderes. Im weiteren Projektverlauf sind die einzelnen Automobilhersteller sogar aus dem Projekt ausgestiegen und haben sich von ihrem Verband vertreten lassen.
Wir sind trotz allem mit viel Enthusiasmus eingestiegen und haben uns diesen durch die mittlerweile drei Phasen des Projekts auch erhalten. Aber wenn man die Maßnahmen ansieht, die wir schon in der ersten Phase vorgeschlagen haben, um die gesteckten Klimaschutzziele zu erreichen, muss man ernüchtert feststellen, dass davon fast nichts umgesetzt wurde. Auch die Emissionen sind folglich noch genauso hoch wie damals und die Schere zwischen Realität und gesteckten Zielen hat sich sogar noch vergrößert.
Aber es gibt Hoffnung. War die Zusammenarbeit zu Beginn voller Konflikte und latenter Ablehnung, wird heute konstruktiv miteinander geredet. Die Automobilunternehmen laden uns heute ein, damit wir die Projektergebnisse vorstellen und Empfehlungen geben. Wir reden Klartext und die Industrie hört trotzdem zu. Kaum jemand möchte sich heute noch die Blöße geben, zu den ewig Gestrigen gezählt zu werden. Jetzt müssen aber auch Taten folgen!
Ich wünsche mir für die Zukunft, dass wir uns weniger von der Angst vor Veränderung leiten lassen, sondern mehr wagen und Dinge einfach probieren – denn ein anderes Verkehrssystem ist dann überzeugend, wenn es auch sichtbar ist und seine positiven Facetten erlebbar werden. Andere europäische Städte machen das vor. In Barcelona, Paris und Oslo werden Straßen ganz oder befristet für den Autoverkehr gesperrt und der Raum den Bürgern zur Nutzung überlassen. Bei uns wird bisher viel über neue Konzepte diskutiert. Es wird viel geplant und leider nur wenig oder nur im Kleinen umgesetzt. Die Skeptiker und Besitzstandswahrer haben weiterhin die Oberhand.
Aber sehen wir uns beispielsweise das Rauchverbot an. Bevor es 2008 eingeführt wurde, hieß es überall: „Wie kann man nur?“. Die Gastronomie sagte, sie würden massiv Umsätze verlieren. Und heute? Heute sagen die meisten, sie seien dankbar und könnten es sich gar nicht mehr vorstellen, wie man verrauchte öffentliche Räume als Standard für alle früher akzeptieren konnte. Ganz viele Restaurants haben davon profitiert. Und für die Nostalgiker gibt es auch heute noch die Relikte aus der Vorzeit. Ich glaube, das wäre bei vielen anderen Entscheidungen genauso. Auch beim Pkw. So wie wir damals ein öffentliches Leben ohne Zigarettenrauch nicht erleben konnten, sehen wir heute nicht, wie absurd die vielen ungenutzt parkenden Autos am Straßenrand sind. Es geht doch um die Bewegung, nicht darum, ein Auto zu besitzen. Würde ein Großteil verschwinden, weil wir uns die Autos teilen und ansonsten Fahrrad oder Bus und Bahn fahren, würden wir uns vermutlich nach kürzester Zeit fragen, warum wir die offensichtlichen Nachteile solange akzeptiert haben.
Für Veränderung brauchen wir Mut statt Angst. Positive Bilder und Erfahrungen statt Schreckensszenarien. Wir müssen deutlich machen, warum sich der Wandel lohnt. Das ist eine Herausforderung, die wir annehmen sollten.
Florian Hacker ist stellvertretender Bereichsleiter Ressourcen & Mobilität in Berlin. Sein Forschungsschwerpunkt liegt in der „Nachhaltigen Mobilität“.