„Unser Wissen auch in die Gesellschaft tragen“
In unserer Arbeit schauen wir eher nach vorne, in die Zukunft, und entwickeln Szenarien und Trends. Ganz persönlich stelle ich aber fest, dass der Wandel der Gesellschaft schon ganz konkret stattfindet und dass sich die Dinge ändern. Man merkt das zum Beispiel an der sinkenden Bereitschaft im ehrenamtlichen Bereich, bei den Sportvereinen, im Elternbeirat. Kaum jemand möchte sich noch festlegen, geschweige denn langfristig. Die Menschen bleiben im Vagen, es fehlt die Verbindlichkeit.
Als Erklärung hört man oft: „Ich habe keine Zeit.“ Aber gleichzeitig zeigen Studien, dass die Internetnutzung immer weiter zunimmt und die Menschen auch immer mehr Zeit vor dem Fernseher verbringen. Wir haben nicht weniger Zeit. Wir nutzen sie nur anders.
Das hat Auswirkungen auf das gesellschaftliche Miteinander, so auch auf das Zusammenleben zwischen Jung und Alt. Meine Familie und ich leben im suburbanen Umfeld von Darmstadt und in unserer Nachbarschaft lebt heute schon eine sehr große Zahl älterer Menschen. Wenn meine Tochter erwachsen ist, wird sie noch mehr von Älteren umgeben sein. Mir ist es ein Anliegen, dass wir hier Kompetenzen aufbauen, vor allem bei den jungen Menschen.
Es muss uns gelingen, mehr qualitative Lebenszeit zu schaffen. Weniger Konsum, mehr persönliche Kontakte. Auch in meinen eigenen Projekten merke ich oft, dass ich erst dann etwas bewirke, wenn ich mir die Zeit nehme, mit den so genannten Stakeholdern, den Menschen, rede, mit ihnen in Kontakt komme. Dafür mehr Zeit zu haben, ist wichtig. Und es bringt einem persönlich etwas, wenn man das Gefühl hat, integriert zu sein und eine Rolle zu spielen. Das sind wichtige Faktoren für ein glückliches, zufriedenes Leben.
Wir machen uns so viele Gedanken über den anstehenden Wandel – dabei ist er schon da. Das Wissen, das wir im Öko-Institut erarbeiten, muss deshalb auch heute schon bei den Menschen, in der Gesellschaft, bei den Schülerinnen und Schülern ankommen. Das dauert mir oft viel zu lange. Oder anders ausgedrückt: Es macht mich unruhig, dass wir als Gesellschaft so viel wissen und über so viel gesprochen haben und dennoch so träge sind.
Unsere Arbeit, unsere Projekte, unsere Forschung im Öko-Institut richtet sich meistens an die Entscheider in der Politik. Wir machen aber auch Projekte, die runtergebrochen sind auf lokale Akteure. Hier müssen wir meiner Meinung nach stärker ansetzten. Zurück zu den Wurzeln und lokal arbeiten, auch wenn es mühsam ist, sich immer mit den lokalen Eigenheiten auseinander zu setzen.
Ich wünsche mir, dass wir diesen Aspekt stärker integrieren in unsere Arbeit. Wie kann man die Leute aktivieren, ohne moralischen Zeigefinger? Wie kann man das positive Momentum identifizieren? Dass wir da weiterkommen, würde ich mir wünschen. Für mich persönlich, fürs Öko-Institut und darüber hinaus.
Daniel Bleher ist Senior Researcher im Bereich Ressourcen & Mobilität am Standort Darmstadt. Er berät unter anderem Veranstalter, Verbände und Politik im Bereich Umwelt und Sport (Nachhaltige Events).