Prof. Dr. Hans Dietrich Engelhardt

Studium der Theologie und Soziologie.

Von 1971 bis 1975 interdisziplinäres Forschungsprojekt "Kirche und Umweltschutz".

Von 1975 bis 2001 Professor für Soziologie und Soziale Arbeit an der Hochschule München mit den Schwerpunkten Selbsthilfe und Selbstorganisation sowie Organisations- und Qualitätsentwicklung, jeweils in Lehre und Praxis sowie einschlägigen Veröffentlichungen.

Vierzig Jahre Öko-Institut – Glückwunsch und Kommentar

Vierzig Jahre Öko-Institut – dahinter steckt eine stetige und erfolgreiche Entwicklung als zivilgesellschaftlicher Mahner und eigenständiger Beiträger konstruktiver wissenschaftlicher Grundlagenarbeiten für drängende, aktuelle Umweltschutzziele. Dass eine solche Entwicklung in Deutschland möglich ist und über 40 Jahre erfolgreich und wachsend durchgehalten werden konnte, hat mir große Erleichterung und auch gewisse Hoffnungen für die Zukunft verschafft.

Schließlich weiß ich aus eigenen Erfahrungen und zahlreichen Berichten, mit welch harten und auch fiesen Mitteln Betriebe und ihre Verbände vorgehen, um ihre Gewinninteressen vor Aktionen von Umweltinitiativen, aber auch vor umweltpolitischen Maßnahmen und Kontrollen der Aufsichtsbehörden abzuschirmen und den ehrenamtlichen Aktivisten bzw. den Behördenvertretern den Schneid abzukaufen.

Die angebliche oder auch die gelegentlich tatsächliche Bedrohung von Arbeitsplätzen durch Umweltschutzmaßnahmen muss dann seit mittlerweile fünf Jahrzehnten als hochwirksames Totschlagsargument gegen Umweltschutzmaßnahmen und deren immer noch verbesserungsbedürftigen Stellenwert herhalten. In dieser aggressiv-konfliktreichen Gemengelage brauchte die Arbeit des Öko-Instituts viel Sachverstand, Mut und Standvermögen.

Eine inhaltliche Nähe bzw. Gedankenverwandtschaft zu den Zielen des Öko-Instituts entstand für mich schon vor dessen Gründung im Verlauf des Forschungsauftrags „Kirche und Umweltschutz“, an dem ich in einer interdisziplinären Untersuchung mit Kollegen im Auftrag des Rates der Evangelischen Kirchen in Deutschland von 1971 bis 1975 im Sozialwissenschaftlichen Institut der EKiD beteiligt war. Im Kontext dieses Forschungsprojektes habe ich auch eng mit einem der späteren Gründungsmitglieder des Öko-Instituts, dem Biologen und Theologen Günter Altner, zusammengearbeitet.

Mit Günter Altner verband mich und unser Team damals – und daran hat sich für mich bis heute nichts geändert – die Einsicht, dass die Bewältigung der vielfältigen Umweltprobleme von der Klimaerwärmung über die schädlichen Nebenwirkungen von industrieller und industriell-landwirtschaftlicher Produktion bis hin zum dramatischen Rückgang der Artenvielfalt auf Dauer erst gelingen wird, wenn wir Menschen uns unserer Einbindung in die Lebenswelt und unserer Abhängigkeit von ihr bewusst werden und nachhaltige Lebensweise zu unserem Leitbild machen.

Es geht also um ein neues Selbstverständnis des Menschen. Nachhaltigkeit kommt nicht ohne eine Fundierung im menschlichen Selbstverständnis aus. Da liegt noch ein langer Weg vor uns. Die evangelischen deutschen Kirchen haben die Herausforderung durch die Umwelt verstanden und sind aktiv geworden, nicht jedoch die universitären Theologenkollegen von Altner, die seine Richtung weisenden Anregungen aus „Schöpfung am Abgrund“ (1974) und seine Anregungen zur überfälligen Auseinandersetzung mit den Naturwissenschaften nicht nennenswert aufgenommen haben. Bei Günter Altner geht es um das menschliche Selbstverständnis.

Meine Biografie hat mich aus der beruflichen Untersuchung der Umweltproblematik herausgeführt, weil damals in diesem Feld ebenso wie heute Soziologen nicht erwünscht waren. Vermutlich hat man systemkritische Analysen befürchtet, die ja auch gemacht wurden aber weitgehend unbeachtet blieben. Dennoch haben mich die Umweltprobleme zeitlebens beschäftigt und zum Oldtimer als Fördermitglied des Öko-Instituts und zuletzt zu einem Autor eines umweltbezogenen Buches werden lassen.

Die Gründung des Öko-Instituts fällt in eine Zeit des gesellschaftlichen Aufbruchs. Auch wenn es viele zeitgeschichtliche Beobachter nicht wahrhaben wollen: Die Studentenbewegung hat mit ihren Leitzielen Selbstbestimmung, Mitbestimmung und Mitwirkung die bundesdeutsche Gesellschaft nachhaltig in neue Bahnen gelenkt. Die Ziele der politischen Akteure wurden in mehreren Lebensbereichen nicht mehr einfach achselzuckend und ergeben hingenommen. Es entstanden soziale und ökologische Bewegungen sowie zivilgesellschaftliche Organisationen, die teilweise radikale Korrekturen an den politischen Zielen forderten und in langwierigen Auseinandersetzungen und wiederholter Mobilisierung wacher Bevölkerungskreise ihre Ziele erstaunlich weitgehend erreichen konnten und zwar manches über die Abkehr von der Atomenergie hinaus.

Das Öko-Institut ist damals als eine zivilgesellschaftliche Organisation entstanden, die im weiten Feld der Umwelt Protest gegen verfehlte Behördenpraxis und fragwürdige Politikziele anmeldet sowie eigene konstruktive wissenschaftliche Beiträge zu deren Korrektur leistet. Zivilgesellschaftliche Organisationen müssen stets in einem diffizilen Spannungsfeld agieren. Einerseits haben sie sich gebildet, weil sie grundlegende Kritik an Zielen und Verhaltensweisen gesellschaftlicher und politischer Akteure sowie Behörden äußern und Veränderungen durch Einsprüche mit fundierten wissenschaftliche Untersuchungen und sozialer Mobilisierung bewirken wollen.

Andererseits sind Veränderungen bei gesellschaftlichen und politischen Akteuren sowie Behörden dauerhaft kaum durch bloße Fundamentalopposition zu erreichen. Zusätzlich zur Mobilisierung politischen Drucks und exzellenten Fachwissens ist eine gewisse Bereitschaft und Fähigkeit zur Kommunikation sowie zu gewissen Kompromissen unerlässlich, um Akzeptanz zu finden.

Es ist für zivilgesellschaftliche Organisationen überaus  schwierig, dauerhaft den eigenen, argumentativ aufweisbaren Zielen treu zu bleiben, einerseits Abstand zu wahren zu den politischen Akteuren und Behörden und mit ihnen gleichzeitig andererseits so viel Kommunikation und Nähe zu pflegen, die eigene, gesellschaftlich bereits überfällige Ziele erreichbar machen, so dass schrittweise tatsächlich wünschenswerte Veränderungen erzielt werden.

Das Öko-Institut hat diesen schwierigen Spagat mittlerweile 40 Jahre lang gut gemeistert, durchgehalten und seine Arbeitsfelder erheblich ausweiten können. Dies hier festhalten zu können, ist für mich gleich bedeutend mit einer ehrlich empfundenen Anerkennung und Bewunderung. Jetzt, nach dem Jubiläum, wird aus der erfolgreichen Leistung von gestern die große Aufgabe für morgen. Ich wünsche dem Öko-Institut, dass es seine alten und neuen Ziele im Interesse unserer Lebensbedingungen wie bisher erfolgreich erreichen und weiter ausdehnen kann.

Allerdings habe ich den Eindruck, dass die kritische Begleitung der deutschen Umweltpolitik etwas in den Hintergrund gerückt ist. Von der vom Öko-Institut zurecht geforderten Nachhaltigkeit ist generell und in der Landwirtschaftspolitik fast nichts zu spüren. Im Gegenteil. Hier – immerhin geht es um die langfristige Ernährungsgrundlage der Bevölkerung – wird eine Hochrisikopolitik mit der Forcierung der industriellen Landwirtschaft bei gleichzeitiger sträflicher Vernachlässigung ökologischer Landwirtschaft betrieben.

Die problematischen Effekte sind an Überschreitungen und Manipulationen von Grenzwerten, Anreicherung der Lebensmittel und Böden mit Schadstoffen und drastischem Artenrückgang ökologischer Leistungsträger (Insekten, Vögel) abzulesen. Ich würde mir wünschen, dass der respektable Beratungsstatus des Öko-Instituts nicht dazu führt, aktuelle Verdrängungs- und Ignorierungsversuche bei Umweltproblemen aus Kreisen von Wirtschaft, Verbänden, Politik und Behördenpraxis aus dem Blickfeld und aus der Thematisierung zu verlieren.

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